21. Nov, 2016

Ente, Tod und Tulpe

Gestern war in der Kirche Lindau ein spezieller Morgen. Die Angehörigen von allen in diesem Jahr Verstorbenen, wurden zu einem Gedenkgottesdienst eingeladen. Ich ging deshalb auch hin.

Vorne in der Kirche war eine Leinwand aufgestellt und dort stand dieser Titel: Ente, Tod und Tulpe.

"Was für ein eigenartiger, bescheuerter und schräger Titel", dachte ich bei mir, war aber gleichzeitig auch bereit und neugierig herauszufinden, was dieser Titel uns wohl erzählen wird.

Die Kirche begann mit Liedern die ich nicht kannte und deren Texte ich nicht wirklich verstand und dann mit einem gelesenen Text, der mich irgendwie auch nicht richtig berührte. Ich war dann deshalb froh, als diese Entengeschichte begann, da ich sicher war, dass der Pfarrer diese bestimmt nicht ohne Grund für diesen Anlass ausgewählt hatte. Ziemlich neugierig schaute ich also den Animationen zu - doch oh Schreck - obwohl diese nett gemacht waren, berührte diese Geschichte weder mein Herz noch fand ich eine Botschaft oder neue Gedankenanstösse darin.

In Kurzfassung: Eine Ente trifft den Tod. Der begleitet die Ente auf ihrem Weg und als sie gestorben war, legt er sie ins Wasser und schaut ihr nach, bis sie ganz weg ist.

Naja. Toll... Vergeblich wartete ich bis zum Schluss auf den "Aha-Effekt" und dachte bei mir: "Wie soll ein Kind das verstehen, wenn ich den Sinn und die Botschaft dieser Geschichte nicht verstehen kann..."

Es folgten weitere Lieder und Texte und plötzlich - ich dachte ehrlich gesagt nicht mehr, dass der Pfarrer nochmals Bezug auf die Ente machen würde - kam er zur Geschichte zurück. Er sagte, er hoffe, dass diese Geschichte uns auch so berührt hat wie ihn... ...ähm... nein... das konnte ich leider nicht bestätigen... Aber dann begann er, die Geschichte nochmals auf eine etwas andere Art zu erzählen und plötzlich wurde diese komische Geschichte spannend und interessant. Und er sagte uns: "Manchmal muss etwas nochmals anschauen, um zu verstehen, was man gesehen hat". Und dann schauten wir den Film nochmals zusammen an.

Die zweite Kurzfassung lautete dann etwa so:

Die Ente merkt plötzlich, dass der Tod sie auf ihrem Weg begleitet. Die Ente erschrickt und fragt den Tod ängstlich: "Was willst du von mir? Kommst du mich jetzt holen?"

"Nein, nein" sagte der freundliche Tod. "Nicht ich beende dein Leben, sondern das Leben selbst beendet es irgendwann. Ich werde dann nur da sein, damit du dann nicht alleine sein musst. Zudem begleite ich dich schon immer - du hast es nur bisher einfach noch nicht bemerkt.

Der freundliche Tod begleitete die Ente bei allem was sie tat und es schien, als freundeten sich die beiden an. Die Ente wärmte mit ihren flauschigen Federn den Tod, als dieser nach dem Baden im Teich kalt hatte und der Tod wärmte die Ente, als diese am Sterben war. Danach trug der Tod die Ente ganz behutsam auf seinen Armen bis zum Fluss, liess sie vorsichtig in diesen gleiten, legte die Tulpe auf sie und schaute ihr fast etwa traurig nach, bis sie ganz verschwunden war.

Hmmm... Und plötzlich fand ich diese Gschichte tröstlich und schön...

Und zudem fand ich den Gedanken spannend, dass nicht der Tod unser Leben beendet, sondern dass das das Leben selbst tut. Und dass der Tod wie ein guter Freund bei uns ist, damit wir dann, wenn wir gehen nicht alleine sein müssen, ist doch auch irgendwie schön...

Auf jeden Fall finde ich es interessant, diesen Gedanken mal zuzulassen und denke, manchmal lohnt es sich wirklich, ein zweites Mal hinzuschauen, damit man etwas besser versteht.

13. Nov, 2016

Orte die Geschichten erzählen

Ich bin irgendwie gerade tief bewegt und möchte euch gerne erzählen, um was sich meine Gedanken gerade drehen.

Vor einigen Tagen war ich in Appenzell auf Besuch. Wir schlenderten damals durch das schöne Dorf, spazierten zur Kirche und durchquerten auch kurz den Friedhof. Bereits damals war mir sofort aufgefallen, wie wunderschön die Gräber sind und mit wie viel Liebe jedes einzelne Grab gepflegt, bepflanzt oder beschmückt war. Jedes ein kleines Kunstwerk und jedes ganz individuell.

Wieder Zuhause ging mir dieser Friedhof nicht mehr aus dem Sinn. Ich habe ja schon einige Friedhöfe gesehen, aber noch nirgendwo waren durchs Band alle Gräber so liebevoll gemacht wie in Appenzell.

Ich habe mir dann Gedanken darüber gemacht, weshalb das wohl so ist.

Klar: Es war erst vor kurzem Allerheiligen und im "stock"-katholischen Appenzell somit ein wichtiger Tag... Aber... das war es in anderen Gegenden ja auch... Und trotzdem habe ich so etwas noch nie gesehen. Ich habe dann gedacht, vielleicht liegt es ja daran, dass man sich hier noch kennt. Weil hier traditionelle Werte noch anderst gelebt werden, als in der modernen, weltoffenen und anonymen Stadt. Weil hier in der Nähe noch Angehörige wohnen und es noch nicht so einsam ist, wie oft anderswo. Kann sein, dass auch vielleicht noch mitspielt, dass wenn der nebenan ein solch schön gepflegtes Grab hat, ich das auch machen "muss"...

Aber wie auch immer... Mich hat dieser Friedhof auf alle Fälle gedanklich nicht mehr losgelassen, weshalb ich heute dann - ganz alleine - nochmals in Ruhe dorthin bin.

Und wieder war ich erstaunt und berührt und hatte - obwohl ich ja niemanden gekannt habe der dort liegt - irgendwie das Gefühl, als würde ich über jeden einzelnen etwas erfahren und jedes Grab würde mir eine kleine Geschichte erzählen.

Und dann habe ich gedacht, dass ich mir auch wünsche, solch ein Leben zu führen, dass es irgendwann mal jemand gibt, der auch was Schönes bei mir hinstellt. Und jemandem, der dann bei mir vorbeigeht, vielleicht auch einwenig über mich verrät.

Denn eines war wirklich spürbar: auch wenn wir gegangen sind, so bleibt doch immer noch etwas von uns zurück - klar spürbar in unseren Herzen, aber auch klar sichtbar auf einem Grab.

Darüber dachte ich gerade nach...

29. Okt, 2016

Neue Geschwindigkeitsbegrenzung

Kennt ihr das?

Seit vielen Jahren fährt ihr immer dieselbe Strasse zur Arbeit. 80 km/h sind dort erlaubt. Ihr kennt diese Strecke im Schlaf. Plötzlich bekommt ihr eine Busse. Ihr seid total erstaunt und versteht die Welt nicht mehr. Ihr habt nämlich nicht bemerkt, dass eine neue Geschwindigkeitsbegrenzung angebracht wurde auf eurer Strasse und seit zwei Wochen nur noch mit 60 km/k gefahren werden darf.

Dies passiert, weil wir ganz oft nicht in der Gegenwart sondern in unserer Erinnerung fahren und gar nicht mehr richtig wahrnehmen, was wirklich in diesem Moment um uns herum ist.

Ganz Ähnliches passiert uns manchmal mit Menschen, die wir kennen. Wir glauben zu wissen, wie diese Leute funktionieren, reagieren und ticken und erkennen oft nicht, dass diese Menschen eine Entwicklung gemacht haben und nicht mehr so sind, wie sie waren. Aber oft sind wir in unseren Erinnerungen so festgefahren, dass wir das gar nicht bemerken. Wir glauben, weil jemand bisher "so" regiert hat, wird er das auch in der Gegenwart und in der Zukunft wieder tun.

Aber das ist nicht so!

Wir alle haben immer und jederzeit die Möglichkeit etwas anderes, etwas Neues zu tun. Und wir alle entwickeln uns. Die einen mehr und schneller, die anderen langsamer und in kleinen Schritten - aber wir alle haben jeden Tag die Möglichkeit uns neu zu entscheiden, zu lernen und uns zu verändern.

Und wenn wir Entwicklungsschritte gemacht haben oder diese laufend machen so ist es super schön, Menschen neben sich zu haben, die diese Schritte - also quasi die neue Geschwindigkeitsbegrenzung - bemerken, wahrnehmen, registrieren und uns dafür im Idealfall sogar loben oder uns motivieren, den neuen Weg weiter zu gehen.

Doch leider ist es so wie mit der Strasse, die wir immer schon gefahren sind und von der wir meinen sie zu kennen... Oft merken wir erst, dass sich etwas verändert hat, wenn es kracht..

Ich wünsche uns allen deshalb Menschen in unserem Umfeld, die unsere Veränderungen wahrnehmen und uns so erkennen und schätzen, wie wir gerade wirklich sind.

Und wenn das nicht funktioniert, sollten wir vielleicht einfach öfters neue Leute kennenlernen. Denn diese haben keine Erinnerungen daran wie wir waren, sondern sehen einfach was wir im Moment sind.

16. Okt, 2016

Total normal

Irgendwie ist es schon spannend, dass jeder von uns denkt, dass er wisse, was "normal" ist. Und auch, dass jeder denkt, dass sein "Normal" normal ist.

Ihr versteht nicht, was ich damit meine?

Ich meine, dass jeder von uns doch eine andere Vorstellung davon hat, was normal ist. Der eine hat gelernt, dass es normal ist, viel Geld zu haben - für den anderen ist es normal, finanziell nicht auf Rosen gebettet zu sein. Einer findet es normal, um 22.00 Uhr ins Bett zu gehen, und für den anderen ist es normal, nicht vor Mitternacht zu schlafen. Einer findet es normal, dass seine beiden Eltern immer ausser Haus am Arbeiten und kaum daheim sind und für den anderen ist es normal, dass seine Mutter zuhause ist und die Familie am Abend gemeinsam isst.

Aber auch bei dem was "man macht" oder "was sich nicht gehört" gibt es ja nicht einfach nur eine Wahrheit, sondern es ist einfach das normal, was wir gelernt haben und in welche Kultur, Religion oder in welcher Schicht wir aufgewachsen sind. Und das halten wir - falls wir unsere Glaubenssätze nie überdacht haben - bis heute einfach immer noch für die Wahrheit und für "normal".

Aber nicht nur bei dem "was man tut und was nicht" haben wir so unsere Vorstellungen was normal ist, sondern auch, wie ein Mensch zu sein hat.

Zu schwangeren Frauen höre ich immer wieder sagen: "Hauptsache es ist gesund." - Oder meinen wir damit vielleicht auch: "Hauptsache es ist normal?" 

Aber was heisst denn, dieses "normal sein"?

Ist damit gemeint, nicht aus der Reihe zu tanzen? Genauso zu funktionieren, wie es die Mehrheit tut? Einfach nicht aufzufallen?

Denn sind wir doch mal ehrlich. Es macht uns allen doch etwas Angst, wenn jemand anders - und deshalb nicht ganz normal ist. Wir wissen dann oft nicht, wie wir mit diesem "anderen Normal" umgehen sollen.  

Aber nochmals zur Erinnerung: Jeder hat sein eigenen "Normal". Ich habe meines. Er hat seines. Sie ihres. Du deines.

DU hattest ein Down Syndrom. Früher sagte man dazu "Mongoloid". Aber heute darf man das nicht mehr sagen. Ok. Mir spiel es keine Rolle wie ich es nenne.  Dank dir lernte ich einfach schon als Kind, dass es verschiedene Arten von "normal" gibt und dass es ok ist, in manchen Dingen etwas anders zu sein.

Deine Gefühle kamen immer ganz ungefiltert. Wenn DU dich gefreut hast, hast du das gezeigt. Aber wenn du traurig oder wütend warst auch. Einfach so ganz ehrlich. Einfach gerade so, wie es für dich war. Ohne Filter und ohne Maske. Einfach ganz normal DU.

Auch wenn ich dich in den letzten Jahren nicht mehr so oft gesehen habe, so muss ich doch sagen, dass ich wirklich dankbar bin, dass ich dank dir viel über "Normalität" gelernt habe. Nicht weil es eine "grosse Sache" war, dass du in manchen Dingen etwas anders warst, sondern ganz im Gegenteil - einfach weil es total normal war.

Jetzt bist du auf deine letzte Reise gegangen und ich freue mich, dass ich dich kurz vorher nochmals habe treffen dürfen. Schön dass du hier warst und mir deine Normalität etwas näher gebracht hast. Ich habe dank dir viel gelernt.

Und nur so nebenbei:

Sind es nicht genau die Leute, die ein etwas "anderes Normal" leben oder verkörpern, die uns nachhaltig prägen, von denen wir viel lernen und die tiefe Spuren in unserem eigenen Leben hinterlassen?

Vielleicht sollten wir uns deshalb alle mehr getrauen, öfters "abnormal normal" zu sein.

19. Sep, 2016

Lache - Naja. Dann grinse ich halt

Inspiriert von einem Video, das ich heute gesehen habe, habe ich heute gelächelt. Also eigentlich gelacht. Nein, nicht weil etwas lustig gewesen wäre, sondern weil ich es tun musste. Ja, wirklich. 60 Sekunden lang musste ich meine Mund bis zu den Ohren ziehen und mein schönstes Zahnpastalächeln präsentieren. Und das alles nur, weil mich heute noch niemand zum Lachen brachte. Und mein schönes Zahnpastalächeln hat ja auch niemand gesehn. Aber ich glaube, das war vielleicht auch besser so. Denn mal ehrlich: Wenn jemand alleine und grundlos vor sich hingrinst, überlegst du dir doch sicherheitshalber, wie die Nummer vom Notruf ist...

Ja ok. Wenn man frisch verliebt ist - zum Beispiel in einen Menschen oder in einen jungen Hund - dann grinst man ständig so dämlich vor sich hin. Und dann auch nicht nur 60 Sekunden, sondern eher 23,75 Stunden pro Tag. Aber ansonsten macht man das ja wohl kaum.

Ausser eben heute.

Ach so. Du verstehst ja vielleicht noch gar nicht, weshalb ich das tun musste. Also, das ist so: Es ist bewiesen, dass wenn du lachst, deine Selbstheilkräfte aktiviert werden und dein Immunsystem gestärkt wird. Und wenn du zum Beispiel richtig sauer bist und dann 10 Sekunden lachst, dann hast du das Meiste deines Ärgers bereits wieder weggelacht und du beginnst, wieder klar zu denken. Zudem besagt ein chinesisches Sprichwort, dass pro Minute die du lachst, sich dein Leben um eine Stunde verlängert. Und ehrlich. Auch wenn ich nicht ewig leben möchte, finde ich dieses lächelnde-Selbstheilungskräfte-und-Immunsystem-aktivierende-Dings doch recht gut.

Also was bitte, muss ich genau tun? Und die Antwort von Frau Vera F. Birkenbihl ist ganz einfach: Lache von Herzen 10 Sekunden, oder lächle 60 Sekunden lang - und nicht weniger - und diese 60 Sekunden am Stück.

Gesagt getan. Ich bin also übers ganze Gesicht grinsend, den Weg von meiner Unterkunft bis zum Super-Grill-da-Mario spaziert. Hoch konzentriert zählend - damit es dann auch wirklich die 60 Sekunden sind. Doch dann, plötzlich, ein Auto hupt... Doof! Oh je! Ach nein! Prompt habe ich mich so erschrocken, dass ich vergessen habe, bei welcher Zahl ich war.

Also nochmals von vorne. Mundwinkel zu den Ohren - Zähne raus - 1,2,3 ... 56, 57, 58, 59, 60 und sicherheitshalber noch drei dazu - denn man weiss ja nie... Boah! Geschafft! Juhui! War das toll. Und komischerweise habe ich dann noch freiwillig weiter gelächelt. Warum? Keine Ahnung. Mir war einfach danach.

Aber! Ich hätte mir dieses ganze 60 Sekunden-Dings ersparen können. Denn ehrlich. Es gibt eine viel einfachere Variante dafür: Bestell einfach bei SupergrilldaMario Tagliolini neri agli scampi nostrani. Und nachdem du eine gefühlte Ewigkeit verzweifelt versuchst diese Scampis zu entblössen und du realisierst, wie dämlich du dich dabei gerade anstellst, brichst du sicherlich - auch wenn ganz alleine am Tisch sitzend - in Gelächter aus. Das ging mir auf jeden Fall so. Und da ja bei richtigem Lachen 10 Sekunden reichen und gleich viel bewirken wie 60 Sekunden ichziehdieMundwinkelzudenOhren, hätte ich mir das 2 x auf 60 zählen vorher auch wirklich ersparen können.

Aber trotzdem ist es irgendwie ziemlich gut zu wissen, dass unser Unterbewusstsein nicht kann entscheiden, ob wir wirklich das fühlen, was wir ihm signalisieren - und es somit bei Bedarf überlistet werden kann.

Und deshalb finde ich beide Lachvarienten gut: Entweder beim Supergrill Scampi essen oder 60 Sekunden lang die Mundwinkel zu den Ohren ziehen. Egal. Kommt ja beides auf das Selbe draufan.

Nadann - Lachen oder grinsen wir doch einfach mal wieder. :)