22. Okt, 2017

Ein ehrlich schöner Herbstsonntag

Heute Morgen habe ich einen schönen Spruch über die Ehrlichkeit gelesen und war natürlich voll einverstanden damit, wie wichtig und richtig Ehrlichkeit ist und wie schlimm es ist, nicht ehrlich zu sein.

Und dann… als ich dann mit Finny einen längeren Spaziergang im wunderschönen Herbstwald gemacht habe und dort Zeit hatte, nochmals in Ruhe über diese Ehrlichkeit nachzudenken, da war es mir auf einmal gar nicht mehr so klar, was es eigentlich mit dieser Ehrlichkeit so auf sich hat...

Denn – seien wir doch mal ganz ehrlich – mit uns selbst. Ist es nicht so, dass wir alle – auch die, die von sich selbst sagen, dass sie absolut ehrlich sein, irgendwelche Geheimnisse haben, die niemand weiss. Nein. Ich meine damit nicht (unbedingt), dass diese Geheimnisse super hoch dramatische sein müssen, dass wir eine Leiche im Keller verbuddelt haben oder eine Bank ausraubten in früherer Zeit. Ich meine damit viel eher Dinge, die wir gemacht oder erlebt haben und auf die wir vielleicht nicht stolz sind. Vielleicht haben wir etwas getan, was gegen unsere Moralvorstellung verstösst, oder wir haben Gedanken oder Gefühle die wir nicht haben sollten, oder wir haben uns für etwas entschieden, von dem wir nun denken, dass es nicht richtig war. Und dann? Was machen wir dann damit? Erzählen wir all das weiter? Oder schweigen wir? Und wem muss ich es mitteilen, damit ich sagen kann, dass ich ganz ehrlich bin? Ist Ehrlichkeit überhaupt gleichbedeutend mit „alles erzählen und zu allem stehen“ oder ist man auch ehrlich, wenn man einfach schweigt? Und wem genau gegenüber muss ich überhaupt ehrlich sein? Allen? Oder meinen Freunden? Meinem Partner? Meiner Familie? Oder vielleicht sogar mir? Bin ich ehrlich, wenn ich nur einen Teil sage? Und bin ich ehrlich, wenn ich es nur einem Teil der Gesellschaft mitteile was ich wirklich denke, getan habe oder vorhabe derzeit?

Und ist es nun verwerflich oder richtig, jemandem nicht die – ganze - Wahrheit zu sagen, wenn diese Ehrlichkeit diese Person verletzen wird? Ist eine Notlüge gestattet und lügt man auch, wenn man schweigt?

Mein Bruder war die mir nahestehendste Person in meinem Leben und niemand kannte mich besser als er. Wir erzählten uns alles. Auch Dinge, die nicht immer nur angenehm waren. Wir hatten keine Geheimnisse. Aber Stopp! Auch das stimmt ja nicht. Auch da gab es Dinge, die ich ihm nicht gesagt habe. Vielleicht weil ich es nicht wollte und vielleicht auch, weil ich nicht dachte, dass er sie wissen muss. Und auch bei ihm gab es Dinge, die er mir nicht gesagt hat. So wie zum Beispiel, dass er mir nicht sagen konnte, dass er diese Erde freiwillig verlässt. Und heisst das nun, dass wir plötzlich gar nicht ehrlich zueinander waren oder hat das mit der Ehrlichkeit schlussendlich gar nicht viel zu tun? Sondern geht es bei der Ehrlichkeit vielleicht darum, dass wir uns selbst in die Augen schauen können und zu dem stehen, was wir im Leben sind und tun?

Ich habe heute auf jeden Fall beim genauen Nachdenken gemerkt, dass das mit der Ehrlichkeit gar nicht so einfach ist, wie ich bisher dachte. Ich lass das deshalb nochmals etwas wirken auf mich - und wünsche euch einen Herbstsonntag - der ehrlich schön ist.

Kommentare

22.10.2017 14:32

Hans Rudolf Eppelsheimer

Bom dia,
Du mit deinen Geschichten bestehend aus vielen Fragen, berühren mich und regen an zum nachdenken. Sie gefallen mir ausser ordenlich gut. Du erinnerst mich an Carrie (Sex and the City)

25.10.2017 08:30

Sandra & Finny

Wow! Danke für diese lieben Worte, Hans Rudolf Eppelsheimer. Das freut mich gerade sehr :) Und ich glaube, mit Carrie verglichen zu werden, ist ein ziemlich grosses Kompliment ;) Danke schön!