"Gring abe und seckle"
Zwar war für heute nicht so richtig schönes Wetter angesagt. Aber das störte mich nicht. Ich wolle unbedingt mit Finny irgendwo in die Berge. Genauer gesagt, in den Schnee. Die letzten zwei Tage verbrachten wir nämlich nicht zusammen und deshalb freute ich mich umso mehr.
So fuhren wir heute Morgen also los, in Richtung Toggenburg. Gamplüt sollte unser Ziel sein. Die Sonnenseite des Toggenburgs. Naja. Mit der Sonne, war es jedoch so eine Sache. Bis kurz vor Wildhaus, war davon nämlich definitiv noch nichts zu sehen, sondern dichter Nebel war stattdessen angesagt. Bei der Bahnstation angekommen, war zwar der Nebel verschwunden, aber wirklich schön, war es nicht. Aber das war egal. Ich habe beschlossen, dass es ein fantastischer Tag werden soll, und das liess ich mir nicht nehmen. Nicht vom Wetter und auch nicht davon, dass kaum war ich auf dem Parkplatz angekommen, auch gleich die Gondelbahn losfahren wollte. Zwar riefen die Leute noch, dass wenn wir uns sehr beeilen würden, wir noch mitfahren können, aber auf Stress war ich definitiv nicht eingestellt. Nein, nein.. Sollten die nur ohne uns hochfahren. Ich wollte es lieber gemütlich nehmen und entschied, die Gondel, die eine halbe Stunde später fuhr, zu bevorzugen.
Überhaupt war heute ein Tag, an dem ich mich absolut durch nichts und niemanden stressen liess. Im Gegenteil. Geniessen wollte ich den Tag. Und dazu gehörte auch, dass wir uns nach der gemütlichen Fahrt mit der Gondel im Bergrestaurant Gamplüt als erstes einen feinen Tee und einen Mandelgipfel gönnten und dabei ein nettes Gespräch mit der freundlichen Dame vom Restaurant führten. Wir plauderten über Gott und die Welt, das Wetter, über die Lawinen von letzter Woche auf dem Säntis und davon, welchen Weg ich am besten dann runter ins Tal nehmen soll. Friedlich war es, dort oben auf Gamplüt und ich genoss meinen Aufenthalt sehr. Und eilig hatte ich es auch nicht. Ich wusste ja, dass der Weg nach unten nur ca. einen Stunde dauern sollte. Also hatte ich es nicht pressant.
Ganz gemütlich spazierten Finny und ich dann los.
Gestaunt habe ich dann nicht schlecht, als sich plötzlich der Himmel aufmachte und die Sonne in ihrer ganzen Pracht zu strahlen begann. Es war ein Traum. Der Blick auf die Churfirsten. Die traumhafte Winterlandschaft... Ich konnte mich kaum sattsehen, so schön war es da. Ich blieb immer wieder stehen oder setzte mich irgendwo hin, genoss es und saugte es auf und staunte über so viel Schönheit der Natur.
Und dann überlegte ich mir, ob die Menschen, die kurz vor mir mit dem Schlitten vom Gamplüt ins Tal gedonnert sind, sich wohl auch mal die Zeit genommen haben, das alles zu geniessen. Oder ob sie, wie so viele andere Menschen, einfach die Taktik verfolgen: „Gring abe und seckle“ (was für meine deutschen Freunde so viel bedeutet wie: Kopf runter und rennen). Denn werden wir nicht eher dafür getrimmt im Leben, Ziele zu fokussieren und diese schnellstmöglich zu erreichen? Nicht links und nicht rechts zu schauen, sondern auf dem direkten Weg drauf los?
Versteht mich jetzt nicht falsch. Auch ich finde es wunderbar und sehr wichtig, Ziele zu haben und diese zu verfolgen. Aber vielleicht müssen wir uns dazu ja gar nicht auf die Überholspur begeben. Vielleicht kommen wir ja auch zum Ziel, wenn wir alles etwas ruhiger angehen und uns zwischendurch auch immer mal wieder Pausen gönnen. Und ist es nicht schön, wenn wir zudem Zeit haben zu realisieren, wie sich bei jedem Schritt etwas verändert. Denn jeder Schritt verändert doch den Blickwinkel wieder um ein kleines Stück.
Und in diesem Sinne tendierte ich definitiv nicht zur Aussage „Gring abe und seckle“ sondern möchte viel lieber sagen: „Kopf hoch und langsam einen Schritt vor den anderen und geniessen, dass sich alles immer ein klein wenig verändert dabei.“
Und hier gehts zu unseren wunderschönen Gamplüt & Churfirsten Fotos: http://www.aus-unserer-sicht.ch/441321883