24. Aug, 2016

ES ist soweit - es ist Chilbizeit

Es passiert mir jedes Jahr. Und jetzt gerade wieder. Ich spaziere nichtsahnend durch diesen Ort, an dem ich aufgewachsen bin und sobald ich ES sehe, werde ich in 0,nix in meine Kindheit zurück katapultiert.

"ES" ist zwar grammatikalisch sicherlich nicht richtig und doch finde ich, ES stimmt ganz genau. Denn ES beginnt sich in dieser Zeit dort im Dorf etwas zu verändern und ES werden Lastwagen mit Waren angerollt. Es beginnt sich der Dorfplatz zu füllen und ES ist bzw. war mein Highlight vom ganzen Jahr.

Mit ES meine ich die Zeit, wenn die Monteure beginnen, die sonst eher schlafende Gemeinde mit Leben zu erfüllen und wenn auf dem Dorf- bzw. Chilbiplatz plötzlich eine Tütschibahn und ein Karussell steht.

Meine Güte. Nur wenn ich daran denke, fühle ich mich gleich wieder wie ein Kind und erinnere mich, wie ich damals täglich ganz neugierig und interessiert, aber natürlich auch etwa ängstlich, auf dem Chilbiplatz war und schaute, was dort beim Aufstellen alles so passiert.

Und dann... wenn dann die Chilbi endlich losging... Meine Güte, wie war das super toll. Das Karussell herzig und die Tütschibahn super coll.  Und so richtig obercool war natürlich, wenn meine Cousins, welche als Monteure dort arbeiteten, mich zwischendurch dank dem Fuchsschwanz mit integriertem Chip, gratis fahren liessen...

Aber fast so toll wie das Gratisfahren war für mich der Bällelistand. Dort, wo man versuchen musste, Pingpongbälle so zu schiessen, dass diese irgendwo in dem augestellten Geschirr liegen blieben. - Hey Leute, lacht nicht! Das war A) nicht einfach und B) wirklich super toll. Und ich bin sicher, meine Mutter hatte immer viel Freude, wenn ich mit Dingen wie einem gelben Suppenteller, fünf Aschenbechern, einem Glas sowie einer lila Salatschüssel nach Hause gekommen bin. Und wenn ich dann das tolle Geschirr abgeliefert hatte, machte ich bei meiner Grossmutter noch einen Halt, um dort meinen jährlichen Chilbibatzen feierlich in Empfang nehmen zu können.  

Und dann MUSSTE man natürlich im Schluch ein Raclette essen - auch wenn es immer eine gefühlte Ewigkeit dauerte, bis man es erhielt.

Aber jeder, der schon einmal bei uns an der Chilbi gewesen ist weiss natürlich, dass der absolute Knaller die Fahrt in die Waldbeiz ist. Vom Dorf aus wird man nämlich in einer Art Planwagen in den ca. 2 km entfernten Wald gefahren (ich muss gestehen, eigentlich ziemlich schlau) damit man dann dort neben den weltbekannten Cremeschnitten auch noch den einen oder anderen Kafi Waldgeist sich genehmigen kann. (Ok. Ich gebe es zu. Das ist nun nicht wirklich eine Kindheitserinnerung.. Aber immerhin eine Erinnerung aus der Vergangenheit ;) )

Meine Güte. Sind all diese Erinnerungen schön. Und sogar beim Schreiben kann ich den Duft von Zuckerwatte, Pommes, Bratwürste, Kuchen, Poulets und Magenbrot wahrnehmen - und es zaubert mir gerade wieder ein Lächeln ins Gesicht.

Und wisst ihr, was fand ich das Allerbeste daran? Es brauchte so wenig. Eine Tütschibahn. Ein Karussell. Zuckerwatte. Und Leute, die sich einmal im Jahr, also an diesen zwei Tagen - wir reden übrigens von Sonntag und Montag - trafen, um einfach gemütlich und fröhlich zusammen zu sein.

Ok. Etwas was ich ehrlich gesagt nie verstanden habe, war die Tatsache, dass man in der Schule am Montagnachmittag frei hatte für die Chilbi. Also meinem Geschmack nach wäre ein freier Chilbimontagmorgen viel sinnvoller gewesen.

Aber motzen will ich auf keinen Fall. Denn auch wenn sonst schon alles in diesem Dorf verschwunden ist und man mittlerweile vergeblich nach einer Post, einem Laden oder einem Restaurant suchen kann, dann hoffen wir doch, dass die Familie Gottardi noch viele Jahre lang kommen wird, um diesem wunderbaren Dorf für einen Sonntag und Montag im Jahr Leben einzuhauchen.

Und für alle die sich jetzt fragen, wo denn dieses Dort wohl ist. Ich kann es euch gerne sagen - es ist Lindau - aber ich glaube, wenn ihr nicht schon Kindheitserinnerungen an die Lindauer-Chilbi habt, versteht ihr den Charme von diesem tollen Anlass wahrscheindlich nicht.

Aber meine Vorfreude steigt... Und wer weiss... Vielleicht sehen wir uns ja am Sonntag oder am Montag im Wald, auf der Tütschibahn oder auf dem Karussell.